Auch diese Sitzung der Geschäftsleitung war wieder anstrengend und grenzte an ein Fiasko. Am liebsten wären mehrere aufgestanden und gegangen. Aber natürlich blieben alle sitzen und zogen es durch. Die wöchentlichen Leitungsmeetings waren echte Energie-Sauger mit kaum erkennbarem Nutzen fürs Unternehmen. Klar, man muss sich mal austauschen und auch gemeinsam Entscheidungen fällen. Aber warum muss das so zäh sein?
Und warum schafft man garantiert weniger Punkte, als man sich vorgenommen hatte, während immer wieder dieselben ausgeleierten Dialoge ablaufen?
Dieses Phänomen begegnet mir als Berater regelmäßig. Nicht immer in dieser extremen Ausprägung. Aber sicher ist: Ineffiziente Meetings gibt es nicht nur auf Team- oder Abteilungsebene, auch die Geschäftsleitungen gönnen sich gerne ihre wöchentliche Dosis.
Natürlich gibt es individuelle Gründe, warum sich in einer Organisation eine bestimmte Meetingkultur eingestellt hat. Und es ist auch nicht trivial, diese zu verändern. Eingeschwungene Konfliktmuster sind durch einen generellen Tipp kaum lösbar. Dennoch gibt es ein paar Prinzipien und Praktiken, die ich in der Begleitung von Unternehmen als sehr wirksam erlebt habe, um Leitungsmeetings produktiv zu gestalten.
Die folgenden Prinzipien erscheinen vielleicht trivial. Sie sind leicht zu verstehen und wirken logisch. Und dennoch werden sie in der Praxis selten umgesetzt.
1. Klärt die Funktionen der Beiträge
Der Charakter solcher Regeltermine ist, dass viele Themen untergebracht werden sollen. Gleichzeitig erfüllen die Treffen mehrere Funktionen. Diese inhaltliche und funktionale Weitläufigkeit lädt wie eine große Manege ein, unterschiedlichste kommunikative Aufführungen zum Besten zu geben. Feuerschlucker, Löwendompteure, Clowns und Akrobaten treten gleichzeitig, aber nicht gemeinsam, auf, während der Zirkusdirektor vor dem Zelt eine raucht.
Es wird ewig geredet, auch, weil unklar ist, mit welcher Absicht man über ein Thema spricht. Will man nur informieren? Braucht man die Sichtweisen der anderen? Oder einen Rat? Oder die Zustimmung? Oder möchte man nur sicherstellen, dass die eigene Bedeutung wahrgenommen wird?
Was helfen kann: den Zweck jedes Themas auf der Agenda explizit machen und diszipliniert verfolgen. In der Praxis hat sich eine funktionale Aufteilung bewährt, die ich kurz IKEA nenne.
I = Information
Beim Themen-Typ „Information“ werden Informationen mit hoher Relevanz für alle geteilt und Verständnisfragen geklärt. Es findet keine offene Diskussion statt. Beispiel: Die Information über eine wichtige Entscheidung, die eine Teilnehmerin gefällt hatte, wie etwa die Auswahl einer neuen Software fürs Unternehmen.
Optimierung: Man sollte sich immer fragen, ob diese Information ein Meeting benötigt oder ein anderes Medium effizienter wäre.
K = Konsultation
Ein Entscheider möchte seine Idee oder seinen Entscheidungsentwurf mit den anderen beraten, sich Feedback holen und Fragen klären. Dieser Agenda-Punkt dient dem Entscheider. Es ist klar, dass die Entscheidung selbst bei ihm bleibt.
Optimierung: Man kann sich fragen, ob es für dieses Thema vorteilhaft ist, die Konsultation in der Geschäftsleitungsrunde durchzuführen oder ob Einzelgespräche sinnvoller sind.
E = Entscheidung
Beim Typ „Entscheidung“ liegt ein Entscheidungsvorschlag vor, zu dem Verständnisfragen geklärt werden können. Grundsatzdiskussionen sind nicht vorgesehen. Einwände können integriert werden, wenn es im Rahmen der gesetzten Zeit möglich ist. Wichtig ist, dass man sich vorher auf ein Entscheidungsverfahren geeinigt hat.
Optimierung: Es sollten möglichst viele Entscheidungen an anderen Stellen in der Organisation gefällt werden, sodass die Menge an Entscheidungen, die die Geschäftsleitung als Gremium fällen muss, gering ist.
A = Austausch
Es kann der Bedarf bestehen, sich zu einem Thema generell mal auszutauschen, um zu verstehen, welche Sichtweisen in dieser Runde zu einem Thema bestehen. Zum Beispiel, um herauszufinden, ob sich die Erarbeitung einer Entscheidungsvorlage überhaupt lohnt. Der Zweck des Austausches muss allen bekannt sein.
Optimierung: Dieser Typ darf nicht zu einer Resterampe für „Sonstiges“ verkommen. Dann lieber das Meeting kürzen und die gewonnene Zeit für ein lockeres Gespräch danach verwenden.
Wenn man diesem Ansatz folgt, haben alle Themen, die nicht klar IKEA zuzuordnen sind, in einem Leitungsmeeting nichts verloren – zum Beispiel allgemeine Updates aus allen Bereichen, die dazu dienen, sich einander vorzuführen, wie erfolgreich man sich darstellen kann. Die Transparenz zu Projektständen und Geschäftsergebnissen kann man effizienter herstellen. Auch taugen Gremiumssitzungen nicht dazu, die individuelle Führungsarbeit der Geschäftsleitung zu ersetzen.
2. Verantwortet die Priorisierung
Leitungsmeetings sind rechnerisch sehr kostspielige Termine. Gleichzeitig konzentrieren sie die formale Macht der Organisation. Hier können zentrale Weichen gestellt werden. Es ist erstaunlich, wie häufig willkürlich mit der Agenda und der eingesetzten Zeit umgegangen wird. Nicht selten betreten Mitglieder der Unternehmensleitung unvorbereitet den Raum, um dann nach der Agenda zu fragen. Sie wirken mehr wie Konsumenten als wie Gestalter. Dabei sind sie nicht nur verantwortlich für ihre eingesetzte Zeit, sondern auch für die Funktionsfähigkeit der Unternehmensleitung.
Ich habe gute Erfahrungen mit einer offenen Agenda gemacht, in die alle Teilnehmenden in den Tagen vorher ihre gewünschten Themen eintragen. Folgende Informationen je Thema helfen, die Agenda schnell zu priorisieren.
- Thema
- Themeneinbringer (eine Person)
- Typ (Information, Konsultation, Entscheidung oder Austausch)
- geschätzte Dauer
- notwendige Vorbereitung durch die Teilnehmenden
Die Teilnehmenden beschließen zu Beginn des Meetings die Reihenfolge der Themen auf der Agenda.
Priorisierung zeigt sich auch im tatsächlichen Zeiteinsatz. Wenn eine vorher geschätzte Zeit für ein Thema aufgebraucht ist, sollte eine bewusste Entscheidung gefällt werden, ob die Runde das Thema für heute beendet oder ob dazu weitergesprochen wird und dafür anderen Themen ggf. heute nicht mehr behandelt werden.
3. Transportiert das Entschiedene
Es ist erstaunlich, wie häufig Menschen einen Meetingraum verlassen und unterschiedlicher Meinung darüber sind, ob gerade lediglich eine Diskussion stattgefunden hat oder auch eine Entscheidung getroffen wurde, und wie die Entscheidung lautet. Allerdings merken sie erst Wochen später, dass sie unterschiedlicher Ansicht über das Ergebnis des Meetings waren.
Entscheidungen sollen einen Unterschied machen für künftige Entscheidungen. Dazu müssen sie bekannt sein. So einfach, so trivial in der Theorie. Im kommunikativen Zirkus vieler Betriebe vernebeln Wunderkerzen und gekonnte Illusionen die Erinnerung. Manchmal hilft da nur noch ein neuer Spielplan. Ich habe schon erlebt, dass es notwendig war, Entscheidungen per Handzeichen einzuführen, um endlich die Missverständnisse zu beenden, ob soeben eine Entscheidung getroffen wurde.
Nach der Klarheit über die getroffene Entscheidung kommt die Dokumentation der Entscheidung – und dann die zweckmäßige Information. Dabei hat sich bewährt, dass die Person dafür verantwortlich ist, alle Betroffenen über die Entscheidung zu informieren, die diese Entscheidung eingefordert hatte. Jedenfalls sollte nach der sachlichen Entscheidung auch über die Form der Mitteilung derselben entschieden werden.
Fazit
Natürlich gibt es noch vieles mehr, was man zum Gelingen einer produktiven Meetingpraxis tun kann. Meiner Beobachtung nach können die drei beschriebenen Prinzipien eine solide Basis bilden, ohne die alle weiteren Optimierungsversuche wenig fruchtbar wären.
Die vorgeschlagenen Praktiken wirken einfach. Sie sind aber alles andere als leicht in der Umsetzung, da sie Brüche mit den bisherigen Routinen bedeuten. Häufig lohnt es, zumindest für die ersten Monate, die Rolle des Moderators zu vergeben, der die Aufgabe hat, die Umsetzung der Prinzipien zu gewährleisten. Es muss eine Person sein, die sich traut, den Frack des Zirkusdirektors anzuziehen und den neuen Spielplan durchzusetzen. Ohne diesen aufmerksamen Beobachter mit der Peitsche in der Hand findet man sich schnell im bunten Treiben der Manege wieder.
Wenn die Umstellung gelingt, können sich neue kommunikative Muster einstellen. Ich habe schon häufig erlebt, dass sich die Meetingkultur deutlich verändert. Die Meetings verlaufen konzentriert und kompakt. Das Machbare wird erreicht. Die Treffen werden als produktiv erlebt, auch wenn sie nun ein strikteres Format haben. Beziehungsweise, weil sie ein strikteres Format haben.