Stell dir vor, du möchtest ein Konzert veranstalten. In deiner Stadt gibt es ein kleines Theater, das seit einer Weile leer steht und dir sehr am Herzen liegt. Als Kind warst du häufig dort, um Aufführungen zu sehen – einmal hast du mit 14 sogar selbst auf der Bühne gestanden. Doch mit der Zeit blieben die Gäste aus, und irgendwann musste das Theater schweren Herzens schließen. Nun möchtest du dem Gebäude wieder Leben einhauchen. Da mit Bühne, Bar und Technik eigentlich alle Bedingungen für ein Konzert erfüllt sind, willst du es damit versuchen.
Du machst dich ans Werk, aktivierst alte Kontakte, telefonierst hier und da, findest eine Band, organisierst Helfer, rührst die Werbetrommel – und siehe da: Wenige Wochen später findet vor beinahe ausverkauftem Haus dein erstes Konzert statt. Stolz wie Oskar freust du dich auf einen Abend voller gut gelaunter Menschen und ausgelassener Stimmung und …
… wirst herb enttäuscht. Die Musik ist zwar super, und auch organisatorisch läuft alles wie am Schnürchen, aber irgendwie will keine ausgelassene Stimmung aufkommen. Kaum ein Gast tanzt oder singt mit, und am Ende bleibt zwar ein netter Abend – aber unter „eingehauchtem Leben“ hattest du dir etwas anderes vorgestellt.
Enttäuscht fragst du dich, was du falsch gemacht hast. War die Band nicht hip genug? Noch letztes Wochenende hatte sie auf einer deutlich größeren Bühne die Stimmung zum Kochen gebracht und musste ganze drei Zugaben spielen. An der Musik kann es also nicht gelegen haben. Vielleicht das falsche Publikum? Auch das wirkt weit hergeholt – viele der Gäste kennst du persönlich und durftest dich in der Vergangenheit mehrfach von ihren Partyqualitäten überzeugen. Aber was ist es dann?
Frustriert sitzt du nach dem Konzert auf dem Bühnenrand und lässt deinen Blick durch die leeren Sitzreihen schweifen … da fällt es dir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Vor lauter Fokus auf die Dinge, die es für einen guten Abend braucht, hast du komplett übersehen, was es nicht braucht – die Sitze! Verärgert über deine eigene Ignoranz, aber auch erleichtert, endlich den Stimmungskiller identifiziert zu haben, schnappst du dir den Schraubendreher und fängst an, die Sitze zu demontieren.
Die Kultur einer Organisation ist ein bisschen wie die Stimmung auf dem Konzert. Sie lässt sich zwar beobachten, aber nicht direkt verändern. Es reicht nicht, eine Zielkultur einfach nur „auszurufen“ – das wäre, als würde man auf dem Konzert einfach „Gute Laune!“ rufen und erwarten, dass plötzlich alle ausgelassen tanzen. Genauso wenig hilft es, mit Mindset-Workshops an die Haltung der Mitarbeitenden zu appellieren. Denn genau wie beim Konzertbeispiel ist die Kultur nicht die Summe der Persönlichkeiten aller Akteure, sondern vielmehr die Summe der gemeinsamen Gewohnheiten, die sich über die Zeit in einem bestimmten Kontext einspielen.
Oder anders formuliert: Genau wie Sitzgelegenheiten Sitzen wahrscheinlich und Tanzen unwahrscheinlich machen, bewirken die strukturellen Rahmenbedingungen einer Organisation, dass manche Verhaltensweisen gefördert und andere erschwert werden. Willst du also die Kultur einer Organisation verändern, musst du an den Strukturen ansetzen – nicht an den Mitarbeitenden. Denn ohne Sitzgelegenheiten zeigt sich der innere Tanztrieb fast von ganz allein.